Nach einer seit Jahrzehnten verfehlten Agrarpolitik hängt die Landwirtschaft immer mehr am Tropf der Förderprogramme, Subventionen und Zuschüsse. Von diesem System profitieren in erster Linie die großen Agrarfabriken, die industrielle Landwirtschaft und am Ende die vier großen Lebensmit-telkonzerne mit ihren milliardenschweren Eigentümern. Währenddessen kommen viele kleinere Landwirt*innen kaum über die Runden. Ihr Alltag ist von Existenzängsten, Überarbeitung, zuneh-mender Bürokratie und Prekarisierung geprägt. Die Bäuerinnen und Bauern, die Beschäftigten in der Landwirtschaft, Lohnfahrer*innen und Erntehelfer*innen brauchen endlich faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen.
Die Streichung der Agrardieselsubventionierung und der Kfz-Steuerbefreiung ist aktuell nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Sie ist keine wirksame Maßnahme im Sinne einer sozial-ökologischen Transformation, da Alternativen zum Agrardiesel fehlen bzw. die Anreize auf andere Antriebe umzusteigen, zu schwach waren. Auch in Zukunft wird die Landwirtschaft auf – dann defossilisierte – Energieträger mit einer hohen Energiedichte angewiesen sein.
Wenn es um den Abbau klimaschädlicher Subventionen geht, dann sollte die Regierung das Dienstwagenprivileg streichen. Wenn sie es ernst meint mit dem Umweltschutz, dann sollte sie das Kerosin besteuern. Auch haben wir kein Ausgabenproblem, sondern ein Einnahmeproblem. Wenn Geld fehlt, sollte der Finanzminister es sich bei den Besitzern von Aldi, Lidl & Co. oder aus dem Rüstungshaushalt holen.
Die Ursachen für die Probleme im Agrarsektor liegen jedoch viel tiefer. Der Fehler ist im System.
Die Landwirtschaft muss aus ihrer Subventionsabhängigkeit herausgeführt werden. Gleichzeitig dürfen die Lebensmittelpreise nicht weiter steigen, sondern es müssen die Gewinnmargen von Handelsketten begrenzt werden. Dazu muss die Marktdominanz der Lebensmittelriesen von Aldi bis Rewe, der Mega-Molkereien und großen Schlachthöfe verringert und die Verhandlungsmacht der Landwirt*innen gestärkt werden. Nötig sind gerechte Lieferbeziehungen, ein starkes Kartellrecht und die Entflechtung der die Wertschöpfungskette dominierenden Oligopolstrukturen. Wir setzen auf die Förderung regionaler, genossenschaftlich organisierter Erzeugergemeinschaften oder von Selbstversorgungsstrukturen wie der solidarischen Landwirtschaft, auf dezentrale Verarbeitungska-pazitäten und Eigenvermarktungsstrukturen. Erzeugung, Verarbeitung, Vermarktung und Ver-brauch müssen wieder räumlich zusammen gebracht werden. Ein Zusammenschluss und Koopera-tion von Bäuerinnen und Bauern könnte die Marktmacht der großen Konzerne brechen, eine direkte Vermarktung vor Ort die Handelsgewinne bei den Erzeuger*innen belassen und unsinnige Trans-porte verringern. Die Überproduktion und der ruinöse Wettbewerb auf dem Rücken der kleinen und mittleren Betrieb muss aufhören.
Die massive Ansiedlung agrarindustrieller Tierfabriken in Nordhessen wollen wir beenden. Daher setzen wir uns für eine Begrenzung von sog. Großvieheinheiten pro bewirtschaftetem ha Fläche ein. Zusätzlich wollen wir auf Bundesebene die Vorgabe von Mindesterzeugerpreisen beispielsweise für Milch und Fleisch unterstützen und unlautere Handelspraktiken konsequent verbieten.
Die Agrarwirtschaft wird jedoch europaweit immer stärker auf den Export ausgerichtet. Dies trägt zur Zerstörung lokaler landwirtschaftlicher Strukturen in vielen Ländern des globalen Südens, aber auch hier vor Ort bei. Von niedrigen Erzeugerpreisen profitieren nur die Ernährungsindustrie und die Handelsketten. Ebenso erschweren landwirtschaftliche Importe von hier anbaubaren Grundnah-rungsmitteln die sozialen und ökologischen Erzeugungsbedingungen weiter. Die Linke tritt für eine (Land)Wirtschaft der möglichst kurzen Wege ein. Dafür unterstützen wir auch verarbeitendes Handwerk bzw. dessen Wiederansiedelung.
GAP Prämien müssen zu Betrieben mit tatsächlichem Bedarf umverteilt werden. Sie müssen z.B. für die Junglandwirt*innenförderung eingesetzt werden, wie es in Thüringen, Rheinland-Pfalz und Brandenburg auch getan wird. Ebenso können Gelder aus dem GAP nochmals zusätzlich für die Stärkung des ländlichen Raumes und somit auch für eine nachhaltige Landwirtschaft eingesetzt werden. An dieser Stelle passiert in Hessen viel zu wenig .
Landwirtschaft lohnt sich heute fast nur noch, wenn die Flächen und Ställe immer größer werden. Dieser Zwang zu Wachstum verdrängt die landwirtschaftliche Vielfalt in unseren Dörfern. Nicht mehr die Förderung nach Flächengröße, sondern die Honorierung von ökologischen und sozialen Leistungen und die Orientierung an den regionalen Begebenheiten muss im Mittelpunkt der Förde-rung stehen. Es braucht wirksame Regeln für Düngung, Pflanzenschutz, Viehbesatz und Fruchtfol-gen. Den Einsatz von Gentechnik auf den Feldern lehnen wir in jeder Weise ab. Diese Regeln müs-sen transparent, langfristig gültig und nachvollziehbar für die Betriebe sein und mit weniger statt mehr Bürokratisierung einhergehen. Nur so lohnen sich nachhaltig Investitionen. Gerade kleinere Betriebe müssen entlastet werden von dem immer höheren Aufwand von Dokumentationspflichten, Nachweisen und Antragsallerlei. So bleibt mehr Zeit für die Arbeit auf den Feldern und so kann die Landwirtschaft ihrer Verantwortung für Boden, Klima, Gewässer und Artenvielfalt gerecht werden.
Besonders kleine Betriebe haben oftmals keine Chancen mehr, zu bezahlbaren Preisen Land zu erwerben oder zu pachten. Der Zugang zu landwirtschaftlichen Flächen und die Neugründung von kleinen Betrieben muss erleichtert werden. Für Investor*innen aus der ganzen Welt sind Böden zu einer krisensicheren Geldanlage geworden, so gehören z.B. in Brandenburg schon 70 Prozent der Ackerflächen außerlandwirtschaftlichen Investoren. Für viele überraschend, dass nicht der nette Bauer von nebenan auf seiner Scholle gräbt, sondern das Land in Hand von Rüstungskonzernen wie ThyssenKrupp, Immobilienkonzernen wie DeutscheWohnen liegt oder gleich dem Lebensmit-telriesen ALDI selbst gehört. Was Wenigen Profite sichert, hat für die Landwirtschaft oft Preisstei-gerungen, Lohndumping, Selbstausbeutung und gerade für migrantische und saisonale Hilfskräfte auch unfaire Arbeitsbedingungen sowie schlussendlich Betriebsaufgaben zur Folge. Unter die Rä-der kommen dabei kleine und mittlere Betriebe. Bauernland gehört nicht in Investorenhand.
Die weitere Versiegelung von wertvollem Ackerboden muss beendet werden. Jeden Tag ver-schwinden allein in Hessen fast 3 ha Anbaufläche unter Beton und Asphalt. Es darf keine Nettover-siegelung von Flächen geben, das heißt, für jede versiegelte Fläche muss eine mindestens gleich große Fläche entsiegelt werden.
Oft betrifft der Flächenverlust hochwertige landwirtschaftliche Böden für die Produktion von Nah-rungs- und Futtermitteln sowie nachwachsenden Rohstoffen. Ausgleichsflächen oder -pflanzungen, wenn es sie denn überhaupt gibt, finden sich oft auf schlechteren Böden, zerstören gewachsene Biotope oder werden unsachgemäß gepflegt.
Die daraus resultierende Bodenverknappung hat allgemein steigende Pachtpreise zur Folge. Wir diskutieren deshalb, unter Beachtung aller relevanter Faktoren, weiter darüber generell die Versie-gelung von Böden mit mehr als 60 Bodenpunkten komplett zu verbieten. Kommunen könnten wir darin stärken, ihr Land nach Kriterien der Gemeinwohlverpachtung zu vergeben.
Die agrarstrukturellen Auswirkungen des Flächenverbrauchs gefährden die Betriebe in ihren Ein-kommens- und Entwicklungspotenzialen oder gar in ihrer Existenz.
Boden ist kein Dreck unter unseren Füßen und erst recht keine Ware, sondern unsere Lebens-grundlage!
Die Linke Hessen steht für eine sozial-gerechte und öökologische Landwirtschaft, die die Versor-gung der Menschen mit wertvollen Lebensmittel ins Zentrum stellt und gute Arbeitsplätze schafft. Wir kämpfen dafür, dass die Versorgung der Menschen mit Agrarprodukten und Lebensmitteln am Gemeinwohl orientiert ist und nicht vor allem an den Profiten der Lebensmittelkonzerne. Gemein-sam mit Landwirtinnen und Landwirten wollen wir eine ökologische, gemeinwohlorientierte Land-wirtschaft gestalten, von der sie gut leben und wir uns gut ernähren können – in Hessen und weltweit.
(Beschluss des Landesvorstandes vom 20. Januar 2024)