Beschluss des Landesvorstandes vom 14. Dezember 2019
Der Landesverband setzt sich für eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts im Sinne einer kritischen Zivilgesellschaft und einer lebendigen Demokratie ein. Der Reformprozess soll folgende Änderungen umfassen:
- Die Liste gemeinnütziger Zwecke in §52 der Abgabenordnung muss um die Punkte “Förderung der Grund- und Menschenrechte”, “Klimaschutz”, “soziale Gerechtigkeit”, “Frieden”, “Geschlechter-Gleichstellung” und “informelle Selbstbestimmung” erweitert werden.
- Eine neu formulierte Demokratie-Klausel soll sicherstellen, dass politische Tätigkeit unschädlich für den Gemeinnützigkeitsstatus ist
- Streichung der Verfahrensregel in § 51 Absatz 3 Satz 2, dass die Erwähnung in einem Verfassungsschutzbericht die Beweislast für einen Verstoß gegen Gemeinnützigkeits-Regeln umkehrt
Der Landesvorstand verpflichtet sich, die Rolle der demokratischen Zivilgesellschaft im nächsten Programm zur Landtagswahl zu würdigen und verbesserte Rahmenbedingungen für zivilgesellschaftliches Engagement schaffen zu wollen.
Begründung:
Es gibt eine breite gesellschaftliche und parteipolitische Übereinstimmung, dass die Zivilgesellschaft unverzichtbarer Bestandteil unseres Gemeinwesens ist. Konsens ist ebenfalls, dass politisch aktive Organisationen für die Gesellschaft unverzichtbare Funktionen übernehmen: Sie sind Anwalt für gesellschaftliche Themen, sorgen für deren breite Erörterung in Medien, Gesellschaft und Politik. Sie dienen so der politischen Willensbildung. Sie decken Missstände auf. Sie bieten Dienstleistungen an, organisieren Selbsthilfe und Solidarität und sie treten als Mittler zwischen Bürgern und Politikern auf. Kurz: Eine „Demokratie - getragen und gestützt von Demokraten“ (im Gegensatz zur Weimarer Republik) bedeutet immer auch zugleich, dass sich Menschen auch außerhalb politischer Parteien gesellschaftspolitisch betätigen und organisieren. Solches Engagement bildet gleichsam den Humus, aus dem unsere Demokratie heraus existieren kann.
Im Gemeinnützigkeitsrecht sind die Grenzen gemeinnützigen Engagements nicht klar abgesteckt. In der Abgabenordnung sind nur bestimmte Zwecke definiert, welche als gemeinnützig anerkannt sind – viele andere, die zweifelsfrei auch dem Gemeinwohl dienen, werden dort nicht genannt. Vereine wie zum Beispiel Attac mussten so über Jahrzehnte über den Zweck der „Volksbildung“ ihr gemeinnütziges Engagement in die Gesellschaft tragen, was von den Finanzämtern toleriert wurde. Doch durch eine auch politisch motivierte Verengung des Bildungsbegriffs durch den Bundesfinanzhof gilt dieses plötzlich nicht mehr. Viele Vereine sind nun verunsichert, ob ihre über den Satzungszweck der „Volksbildung“ ausgeübte gemeinnützige Tätigkeit weiterhin als gemeinnützig anerkannt wird. Campact und Change.org sind die nächsten Leidtragenden, andere Vereine haben daher bereits präventiv beschlossen, keine Spendenquittungen mehr auszustellen.
Der Fall VVN-BdA trägt rechtlich einen anderen Charakter: Nicht ihre politische Tätigkeit ist das Problem, sondern ihre Nennung im Verfassungsschutzbericht: In Paragraph 51 der Abgabenordnung wird die Beweislast umgedreht. Demnach müssen nicht Finanzamt oder Verfassungsschutz beweisen, dass ein verfassungswidrig handelt, sondern die Organisation muss ihre Verfassungstreue beweisen. Das ist praktisch unmöglich und eine Umkehrung des Rechtsstaatsprinzips. Deshalb muss diese Verfahrensregel gestrichen werden.