Für Versammlungsfreiheit, Demokratie und soziale Rechte statt Angst und Repression in Zeiten von Corona
(Beschluss des Landesvorstandes vom 10. Juli 2021)
Bei einer Landesmitgliederversammlung der Linksjugend ['solid] Hessen hat die hessische Landespolizei mit Bußgeldern gedroht, die Mitgliederversammlung des Jugendverbands zur Auflösung gedrängt und Kontaktdaten-Listen gezwungen herauszugeben, die eigentlich für die Corona-Nachverfolgung gedacht war. Dieses Vorgehen der Polizei mit politischen Versammlungen verurteilen wir als DIE LINKE Hessen scharf und solidarisieren uns mit dem Jugendverband der Partei. Dieser willkürliche Akt seitens der Staatsgewalt reiht sich ein in einen äußerst repressiven Umgang mit politischen Versammlungen und Meinungsbildung während der Pandemie.
Mit Ausgangssperren, der Androhung weiterer Schul- und Kita-Schließungen und Kontaktverboten, basierend auf Inzidenzwerten, wurde das Infektionsschutzgesetz mit Paragraph 28b abermals angepasst. Die Pandemie ist eine schwere Bedrohung unserer Gesundheit, aber viele der bisherigen Maßnahmen sind ein hilfloser Versuch, das Versagen einer kapital- und Lobbyisten getriebenen Regierung zu verschleiern. Es ist wissenschaftlich nicht begründet, dass die verhängten Ausgangssperren von 21 Uhr bis 5 Uhr morgens bei einem Inzidenzwert von über 100 eine Auswirkung auf die Infektionszahlen haben. Ausgangssperren und teilweise Außerkraftsetzung der Versammlungsfreiheit sind massive Eindämmungen demokratischer Gestaltungsmöglichkeiten. Sie gehen einher mit der Erklärung, dass der aktuelle kapitalistische Zustand alternativlos sei, während der Arbeitsplatz von den meisten Regelungen aus Profitinteressen ausgenommen bleibt und weiter Krankenhäuser geschlossen werden.
Die neoliberalen Politik der letzten Jahre ist kolossal gescheitert. Individuelles Fehlverhalten, häufig angebracht unter Verwendung rassistischer Ressentiments, sei Grund für neue Wellen. Das ist jedoch eine Umkehrung des Problems. Schuld an der Pandemie trägt profitorientierte Massentierhaltung und überlastete Krankenhäuser sind ein Zeichen eines völlig kaputtgesparten Gesundheitssystems, nicht individueller Fehler. Und gerade nicht marktwirtschaftliche Instrumente, wie das Aussetzen der fetischisierten schwarze Null oder staatliche Förderungen der Impfstoffproduktion halfen in der Pandemie, während beispielsweise der Erhalt des Patenschutzes bei den Impfungen schwerwiegende, verzögernde Folgen hatte.
Trotzdem werden Krankenhäuser privatisiert, hinter der Diskussion der Pandemie kaum bemerkt, die Rüstungsausgaben erhöht und an hessischen Universitäten Sparprogramme durchgesetzt, die die sozialen Rechte der Menschen massiv beschneiden. Wir als LINKE stellen uns entschieden dagegen!
Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit muss auch während der Pandemie gewährt bleiben. Politischer Austausch muss gestärkt statt gebremst werden. Deshalb brauchen wir eine gesellschaftlich demokratische Debatte, Transparenz und Aufklärung über das richtige Vorgehen im Kampf gegen Pandemie und Zivilisationskrise, um gemeinsam eine solidarische gesellschaftliche Perspektive zu entwickeln. Die Krise lösen wir nur gemeinsam als demokratische Bürger:innen. Wir dürfen nicht die Grundrechte gegeneinander ausspielen und müssen Alternativen entwickeln sowie aufzeigen, die die sozialen Rechte auf Gesundheit, Menschenwürde und Ausbau der Demokratie zusammenbringen. Ausgangssperren und das Räumen von Versammlungen von Parteijugenden gehören nicht zu solchen Maßnahmen.
Aus diesem Grund solidarisiert sich DIE LINKE Hessen mit dem Jugendverband Linksjugend ['solid] Hessen und unterstützt den Jugendverband politisch sowie finanziell rund um die juristische und politische Aufarbeitung der Vorfälle vom 16. Mai im polizeilichen Einsatz gegen die Landesmitgliederversammlung.
DIE LINKE Hessen kämpft für:
- die vollständige Wiederherstellung der politischen Versammlungsfreiheit in Hessen und gegen erneute Einschränkungen dieser.
- verbindliche gesetzliche Regelungen zum Schutz vor Infektionen mit Corona am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsweg sowie deren Durchsetzung durch wirksame Kontrollen.
- das Recht auf Arbeit, bezahlbaren und angemessenen Wohnraum, ein umfassendes Diskriminierungsverbot, das Recht auf Bildung, Streikrecht und eine Gesundheitsversorgung für alle. Die Bundesregierung muss sofort das Zusatzprotokoll des UN-Sozialpakts unterzeichnen damit die sozialen Grundrechte direkt einklagbar werden.
- umfassende Gesundheitsversorgung: DIE LINKE Hessen kämpft für einen sofortigen Stopp von den wirkungslosen Ausgangssperren und die Eindämmung des Virus durch Massentestungen, genauere Nachverfolgung von Infektionsquellen und darauf basierende Maßnahmen statt Kontaktnachverfolgung nach dem Prinzip der Gießkanne, qualifizierte Analyse des Infektionsgeschehens und darauf basierende Maßnahmen (inkl. einer entsprechenden Ausstattung der Gesundheitsämter mit zusätzlichem Personal), sozialstaatlich abgesicherte Quarantäne, kostenlose Schutzausrüstung für alle, weltweite Vergesellschaftung von Impfstoffentwicklung und -produktion zum Gemeingut, Lüftungsanlagen in öffentlichen Gebäuden, Rekommunalisierung von Krankenhaus und Pflege, mehr Personal bei Arbeitszeitverkürzung und Lohnerhöhung und besonderer medizinischer Schutz sowie gesellschaftliche Teilhabe für vulnerable Gruppen (insbesondere in Heimen).
„Covid-19 hat bereits bestehende Klüfte, Verwundbarkeiten und Ungleichheiten vertieft und neue Brüche, darunter auch Verwerfungen im Bereich der Menschenrechte, aufgerissen. Die Pandemie hat die Verflechtung unserer Menschheitsfamilie offenbart - und das gesamte Spektrum der Menschenrechte: bürgerliche, kulturelle, wirtschaftliche, politische und soziale Rechte. Wenn eines dieser Rechte angegriffen wird, sind andere in Gefahr.“
UN-Generalsekretär Antonio Guterres, „Die Welt ist mit einer Pandemie der Menschenrechtsverletzungen konfrontiert im Gefolge von Covid-19“, 22. Februar 21, The Guardian
Beschlossen auf der Sitzung des Landesvorstandes am 10. Juli 2021 in Frankfurt am Main